Donnerstag, 13. Juni 2013

“Die Show muss weitergehen...” Von Johanna Möhring

Vielversprechend hatte das Jahr 2013 für die deutsch-französischen Beziehungen begonnen.  Auf feierliche Festakte im Januar zum 50. jährigen Bestehen des Elyséevertrags folgten jedoch Monate der Dissonanz, im besten Fall der Gleichgültigkeit. Von Paris und Berlin angestoßene Projekte, die der EU neue Impulse geben sollten, blieben aus. Nun meldete sich am 29. Mai das deutsch-französische Tandem mit dem gemeinsamen Positionspapier  “Frankreich und Deutschland – Gemeinsam für ein gestärktes Europa der Stabilität und des Wachstums” zurück. Im Vorfeld des Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs am 27./28.06 Juni, der unter anderem die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion via Bankenunion und verstärkter Politikkoordinierung, sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zum Thema haben wird, zeigten Angela Merkel und Francois Hollande lächelnd eine gemeinsame Front.
Der gemeinsame Blick in die Zukunft ist nicht immer einfach

In der Vergangenheit waren es oft Krisen, die die sehr unterschiedlichen Partner zu Kompromissen und gemeinsamen Initiativen zwangen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die seit 2008 andauert, hat allerdings fast unüberwindliche Unterschiede aufbrechen lassen, die sich nur mühsam überbrücken lassen. Und so entpuppt sich beim näheren Hinsehen einiges in dem gemeinsamen Papier als Absichtserklärung. Im Bereich “Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung” gäbe es sicher viel zu tun, Deutschland sorgt sich um die mangelnde Kompetitivität des französischen Partners. Laut des letzten Berichts des Internationale Währungsfonds vom 3. Juni muss Frankreich, um im Jahre 2014 zumindest ein schwaches Wirtschaftswachstum zu erreichen, den Kurs der Strukturreformen und Einsparungen eisern weiterverfolgen; laut IMF leidet das Land unter einer exzessiven Steuerbürde.

Unter der Rubrik „Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion“ feierte Frankreich das Einlenken der Kanzlerin zur Bankenunion als diplomatischen Erfolg und großes Zugeständnis an den französischen Partner. Zur Erinnerung: Eine wahre Bankenunion ruht auf drei Pfeilern – einer Bankenaufsicht, einem Krisenresolutionsmechanismus und einem System der Einlagensicherung. Bis jetzt ist auf europäischer Ebene erst der erste Pfeiler einigermaßen festgezurrt, wobei das zusätzliche Mandat der EZB nicht frei von Kontroverse ist. Zwar wird in dem gemeinsamen Papier erstmals vage von einem gemeinsamen Krisenresolutionsmechanismus unter Beteiligung privater Interessen gesprochen, doch Deutschlands Vorbehalte vor europäischen Lösungen bleiben bis auf Weiteres bestehen. Eine von Frankreich erhoffte direkte Rekapitalisierung der Banken im Süden der Eurozone verschiebt sich weiter in die Zukunft. Zuerst einmal müssen zwei Direktiven zur Einlagensicherung und zur Bankenabwicklung auf nationaler Ebene umgesetzt werden, was für Sommer 2013 geplant ist. Dann könne man, jedoch nicht vor Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments im Jahre 2014 „... die Möglichkeit prüfen, den einheitlichen Abwicklungsmechanismus und den ESM [Europäischer Stabilitätsmechanismus] zusammenzuführen.“

Wie titelte der Canard Enchainé Mitte Mai so schön: „Das deutsch-französische Paar führt keine lustige Ehe“ (mit „mariage gai“ wird auf die Homosexuellenehe in Frankreich angespielt, welche in der Bevölkerung völlig unerwartet langandauernde, massive Proteste ausgelöst hatte). 

Auch was die „Wirtschaftspolitische Koordinierung und die soziale Dimension“ betrifft, bleiben Unklarheiten besehen, zumal eine Abstimmung von Wirtschaftspolitiken längst schon auf EU-Ebene vorgesehen ist. Nur scheint das der französische Präsident vergessen zu haben, denn er verkündete am 29. Mai in relativ rüdem Ton „Frankreich liesse sich von Brüssel nichts vorschreiben.“  Laut Positionspapier sollen diesen Herbst Diskussionen auf EU-Ebene über geeignete Indikatoren geführt werden, welche dann in vertragliche Vereinbarungen für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Solidaritätsmechanismen umgewandelt werden sollen.

Paris und Berlin haben besonders innenpolitisch alle Hände voll zu tun. Die Umfragewerte des französischen Präsidenten sind im Keller, weniger als ein Drittel aller Befragten sprachen im Mai der Exekutive ihr Vertrauen aus. Und ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem die politisch brisante Rentenreform angegangen werden soll, schwindet Francois Hollande's absolute Mehrheit im Parlament in Teilwahlen dahin. Der linke Flügel seiner Partei, der Sozialisten, ist schwer zu bändigen, und so wird in Zukunft verstärkt auf die Wünsche der parlamentarischen Partner („Grüne“ und Kommunisten) eingegangen werden muessen. Auf der anderen Seite des Rheins steht Angela Merkel neben Flutkatastrophe die Kleinigkeit einer Bundestagswahl ins Haus. Zudem prüft der Verfassungsgerichtshof am 11. und 12. Juni die Verfassungsmäßigkeit gewisser Aspekte der Geldpolitik der EZB (Stichwort “ESM” und “OMT”).

Ein Schelm, dem sich also der Eindruck aufdrängte, es ginge beiden Hälften des deutsch-französischen Paars vorrangig darum, die nächsten Monate ohne größere politische Wellen zu überbrücken.  Als Politikprofis liefern Francois Hollande und Angela Merkel einen beeindruckenden Drahtseilakt zwischen Vorstellung und tatsächlicher Machbarkeit. Chapeau! 

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