Dienstag, 4. Februar 2014

Deutsch-französischer Drillich: Nicht nach Maß. Von Johanna Möhring

Am 14 Juli 1994 stockte auf den Champs Elysées und vor den Fernsehschirmen so manchem - zumindest kurz - der Atem: Vom Arc de Triomphe her rollten, zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg, Panzer mit eisernem Kreuz gen Place de la Concorde. Die Deutschen vom Panzergrenadier-Bataillon 294 paradierten im französisch-spanisch-belgisch-luxemburgisch-deutschen Eurokorps. Doch konnte man die insgesamt 1515 Mal vergessen, die deutsche Soldaten vom 14. Juli 1940 bis 1944 marschierend über die Champs-Elysées gezogen waren? Mitterrand, Meister der (Selbst-)Inszenierung, hatte es sich im letzten seiner Amtsjahre vorgenommen, kräftig deutsch-französischen Exorzismus zu betreiben. Mit Erfolg: Trotz in der französischen Presse angekündigter Indignierung übertönte der Applaus auf der Prachtstraße das Kettenrasseln der Marderschützenpanzer.

„Aux Champs-Elysées...
Bundeswehr am 14. Juli mit dabei – 1994 und 2012“

Wie steht es fast zwanzig Jahre nach diesem symbolträchtigen Moment mit den deutsch-französischen Beziehungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich? Im Licht kürzlicher Ereignisse – Stichwort Deutsch-Französische Brigade/Auslandseinsätze, EU-Gipfel zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Dezember 2013 und Neujahrsansprache des französischen Präsidenten vom 14. Januar 2014  – nicht besonders gut.

Die Aufstellung einer Deutsch-Französischen Brigade geht auf eine gemeinsame Vereinbarung von François Mitterrand und Helmut Kohl vom 13. November 1987 zurück, welche sich 1989 konkretisierte. Die 6000 Mann starke Brigade, deren deutsche Bestandteile als Eingreifskräfte klassifiziert sind, ist Teil des Eurokorps. Nun kündigte die französische Regierung im Oktober letzten Jahres an, dass das in Donaueschingen stationierte 110. Infanterieregiment, der letzte rein französische Kampfverband auf deutschem Boden, 2014 aufgelöst werden soll. Der zu vermutende Grund: Zu wenig “bangs for (invested) bucks.” Erhoffte Synergieeffekte - Harmonisierung von Ausrüstung und Übungspraktiken – waren ausgeblieben. Gemeinsame Kampfeinsätze ließen sich in zwanzig Jahren nicht organisieren. Für die Franzosen, die besonders auf dem afrikanischen Kontinent handlungsfähig bleiben wollen, ein Verlustgeschäft, Symbolwirkung hin oder her. Diese mit Sparzwängen begründete Entscheidung brüskierte in Deutschland nicht wenige.

“Ausser Spesen nichts gewesen?
Die deutsch-französische Brigade (Photo: Denis Sollier)“

Verteidigung ist wichtig”. So beginnt der 1. Paragraph der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Dezember 2013. Die Tatsache, dass solch ein Satz geschrieben werden musste, lässt tief blicken. So wenig beeindrucken dann auch die beschlossenen Aktionen:
...“Auf dieser Grundlage hat der Europäische Rat eine Reihe von prioritären Maßnahmen bestimmt, die sich auf drei Schwerpunkte konzentrieren: Erhöhung der Wirksamkeit, öffentlichen Wahrnehmung und Wirkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Intensivierung der Fähigkeitenentwicklung und Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie.”
Das Ganze zur Wiedervorlage im Sommer 2015. Es geht in Wahrheit um weit mehr als um den Aufbau einer verstärkten gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, wie vom Lissabonner Vertrag gefordert. Friedensdividende und massive Kosteneinsparungen im Zuge der Finanzkrise seit 2008 haben überall in Europa das Militär zum Teil drastisch zusammenschrumpfen lassen. Eine Demilitarisierung Europas kündigt sich an. Ob dieser Trend auf nationaler und damit auf europäischer Ebene noch aufzuhalten ist, scheint fraglich.

„EU-Verteidigungsausgaben – es wird eisern gespart“

Der EU-Gipfel vom Dezember 2013 wurde durch die jüngsten Ereignisse in der Zentralafrikanischen Republik, und durch das militärische Eingreifen Frankreichs vor Ort überschattet. In diesem Zusammenhang zeichneten sich die Deutschen, wenn nicht durch Bremsen, so doch durch starke Zurückhaltung aus. Für eine „Vergemeinschaftung“ der Kosten von Auslandseinsätzen, die im Interesse der EU unternommen werden würden, wie von den Franzosen gefordert, konnte keine Mehrheit gefunden werden. Dies war sicher auch durch den Widerstand Deutschlands zu erklären, welches sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls weigerte, mit Truppen oder finanziellen Mitteln zum Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik beizutragen.

Der Unwillen der Franzosen hinter den Kulissen ob dieses Mangels an Solidarität veranlasste den ausgehenden deutschen Verteidigungsminister, Thomas de Maizière, zu harten Worten. Dieser befand am 8. Januar 2014, Deutschland hätte sich von niemanden in Europa hinsichtlich der Organisation seiner Auslandseinsätze etwas vorwerfen zu lassen, weder von Frankreich, noch von Großbritannien. Harte Worte, die sich wenig mit diplomatischen Gepflogenheiten, und nicht unbedingt mit freundschaftlichen Beziehungen decken.

Trotz solcher Missstimmungen kündigte François Hollande in seiner traditionellen Neujahrsansprache am 14. Januar 2014 optimistisch eine Dynamisierung der EU im Bereich der Verteidigung um die deutsch-französische Achse herum an, ohne jedoch Genaueres verlauten zu lassen. Kein Wort übrigens in diesem Zusammenhang zu den bilateralen Militärbeziehungen mit Großbritannien, unter den "Lancaster Treaties", abgeschlossen Ende 2010, auch nicht im Rahmen der traditionellen Neujahrswünsche an das französische Militär oder an die französischen Diplomaten.

Die neue Bundesregierung schlägt dieser Tage versöhnlichere Töne an. Ausgerechnet die deutsch-französische Brigade darf nun in Mali (Deutschland unterstützt diese EU-Militärtrainingsmission bereits seit Beginn, allerdings nicht im Bereich “force protection”) und eventuell später in der Zentralafrikanischen Republik aktiv werden. Am 19. Februar soll auf einem deutsch-französischen Gipfel im Beisein François Hollandes und Angela Merkels gemeinsames Handeln in Vorbereitung einer dortigen EU-Sicherheits- und Humanitär-Mission abgestimmt werden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass von deutscher Seite viel mehr als Lufttransportunterstützung angedacht ist, und auch das nur unter der Bedingung, dass keine akute Bedrohung vor Ort bestände.

„Wir.dienen.Deutschland – Bald auch in Zentralafrika?“ (Photo: Bundeswehr)

Solche Differenzen lassen erkennen, wie weit Deutschlands und Frankreichs sicherheitspolitische Kulturen auseinander klaffen. Für die Franzosen ist militärische Macht und ihr weltweiter Einsatz (ob potentiell oder tatsächlich) legitimer Teil von Außenpolitik. Ebenso ist es für Frankreich offensichtlich, dass europäische Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung unabdingbar für die Stabilität Europas und seiner Nachbarschaft im weitesten Sinne ist. Deutschland teilt zwar letztere Ansicht, ist aber von ersterer weit entfernt.

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