Montag, 31. März 2014

François Hollande, Sozialdemokratie im Angebot. Von Johanna Möhring

Die 2. Runde der Kommunalwahlen Frankreichs ging am letzten Sonntag über die Bühne, und leider entspricht das Ergebnis den Prognosen politischer Beobachter. Rekorde dort, wo man sie nicht haben möchte: Bei der Stimmenthaltung (fast 38 % der Wähler blieben auch im zweiten Wahlgang den Urnen fern) und, was das Abscheiden der „Front National“ betrifft. 

Die Formation „Rassemblement Bleu Marine“, angeführt von Marine Le Pen und der „Front National“, FN, erzielte in der Tat ein historisches Wahlergebnis. Mehr als zehn mittelgroße Gemeinden wie zum Beispiel Béziers und Fréjus im Süden fielen an sie; Forbach und Perpignan konnten im zweiten Wahlgang schlussendlich nicht gehalten werden. Die FN verstand es geschickt, die Schwächen von Links (unpopuläre Regierungspolitik) und Rechts (diverse Skandale) auszunutzen. Seit ein Teil der politisch konservativen Kräfte Frankreichs beständig versucht, sich selbst rechts zu überholen, gewinnt die Partei zudem mehr und mehr an Salonfähigkeit. 

Die etablierte Rechte konnte trotz internen Zwistes auf Landesebene deutlich an Boden gewinnen. Für die Sozialisten sind diese Kommunalwahlen lokal wie national eine Katastrophe: 142 Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern wechselten das politische Lager, Paris muss neben Avignon als einziges Trostpflaster herhalten. Die Regierung Ayrault gerät immer mehr in Bedrängnis. Im September diesen Jahres droht zudem der Verlust der Mehrheit im Senat, da Bürgermeister die Senatoren wählen. 


Kommunalwahlen in Frankreich: Abstrafung an den Urnen

Der Wahlausgang ist vor allem eine saftige Ohrfeige für den französischen Präsidenten. Dabei hatte das Jahr 2014 nicht schlecht angefangen. Mag das Liebesleben François Hollandes auch seine traditionelle Neujahrsansprache überschattet haben, seine Rede, welche neben einer Dynamisierung der französischen Wirtschaft einen “Neustart” Europas um das deutsch-französische Tandem herum ankündigte, erzielte in Frankreich mehr als nur einen Achtungserfolg. Was am 14. Januar vor allem Schlagzeilen machte, war die, zumindest verbale, ideologische Kehrtwende des Präsidenten. Er bekannte sich zur Sozialdemokratie und in Zukunft zu einer “politique de l'offre”, einer Politik der Angebotsunterstützung. 

Konkret: Über die Senkung von Arbeitgeberbeiträgen und Steuern (Gesamtvolumen 30 Milliarden Euro bis 2017, davon 20 Milliarden Steuerkredit Wettbewerbsfähigkeit Arbeitsplatzschaffung, “crédit d’impôt compétitivité emploi,” eingeführt 2012 durch Louis Gallois, dem jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden von PSA Peugeot-Citroën) sollen Firmen dazu angehalten werden, mehr Leute einzustellen und in ihre Ausbildung zu investieren. Im Gegenzug müssen die Gewerkschaften die bittere Pille von 50 Milliarden Euro Einsparungen im öffentlichen Bereich schlucken. Das ganze firmiert unter dem Namen “Pacte de Responsabilité” (Pakt der Verantwortung). 

Wie alles zusammenhängt: Gesehen vom Zeichner Plantu

Aber wie glaubwürdig, oder wie erfolgsversprechend sind solche Bekenntnisse zur Sozialdemokratie? Der “Pacte de Responsabilité” tritt auf der Stelle, da sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften nicht über seine genauen Modalitäten einigen können. Über seine Zielrichtung streiten sich nicht nur Ökonomen. Geht es vor allem um die Schaffung von Arbeitsplätzen, Priorität der Regierung Ayrault? Oder um die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft als Ganzes? 

Ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Hauptstoßrichtung der Politikmaßnahme, so müsste im Niedriglohnbereich angesetzt werden. Laut einer Studie der liberalen Denkfabrik Institut Montaigne ist der Effekt einer radikalen Senkung von Lohnnebenkosten im Umfeld des französischen Mindestlohns noch stärker als geglaubt. Bis zu 800.000 neue Arbeitsplätze ließen sich in wenigen Monaten mit 10 Milliarden Euro Subventionen schaffen, bei aktuell mehr als 3,5 Millionen Arbeitslosen keine Kleinigkeit. Obwohl Schätzungen des Wirtschaftsministeriums bescheidener ausfallen (man geht dort von 300.000 Arbeitsplätzen aus), scheint eines klar: Eine Streuung der Subventionen über alle Gehaltsstufen hinweg ist wenig erfolgsversprechend. Lohnanstieg statt Arbeitsplatzschaffung wären die Folge. 

Doch hier mauern die Arbeitgeber, besonders die Vertreter der mittelständischen Unternehmen, die aufgrund knapper Margen immer mehr in Bedrängnis geraten. Sie fordern ihrerseits begünstigende Maßnahmen, um die „Wertschöpfungsleiter“ erklimmen zu können. Das eigentliche Problem der französischen Wirtschaft sind laut einer Analyse des Finanzunternehmens Natixis vom Januar 2014 nämlich nicht vorrangig die Lohnnebenkosten, sondern die “falschen” Produkte –   nicht wettbewerbsfähig, da zu niedrig auf der Wertschöpfungskette angesiedelt – und der dysfunktionale Dienstleistungssektor. Statt in der Industrie, die dringend Kapital benötigen würde, um wettbewerbstechnisch an Boden zu gewinnen, landen Investitionen eher im Dienstleistungssektor, der wenig, bis gar keinem Wettbewerb ausgesetzt ist.  


„Das Debakel – Tretet der UMP bei“:  Plakat, geklebt in Pariser Strassen

Man sieht: Der nötige Umbau der französischen Wirtschaft braucht Augenmaß, Konsens und vor allem Zeit – Zeit, die François Hollande davonläuft. Unter dem Druck des politischen Kalenders könnte sich seine Politik des Angebots schnell als Ladenhüter herausstellen.

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